Zur Erinnerung: Die besten Kühe der Welt! (geschrieben 2019)

Der SüdPlus-Bericht war alles andere als eine Werbung für unser Braunvieh. Schonungslos wurden die Probleme beschrieben, gnadenlos der Rückgang in den Stammgebieten Deutschland, Österreich und Schweiz dokumentiert. Als Braunviehfreund wurde man auf eine harte Probe gestellt! Ich wehre mich aber dagegen, jetzt in Selbstmitleid zu versinken. Auch wenn in der Zucht so einiges aktuell schief läuft, ganz ohne Zweifel, so bin ich doch davon überzeugt dass wir mit Braunvieh eine der modernsten Rassen in unseren Ställen stehen haben.  Im folgenden Blog-Artikel werde ich Euch erklären warum ich das denke.

 

Auf die Balance kommt es an!

 

Wenn ich mir Braunvieh im Rassevergleich mit Fleckvieh und Holstein ansehe, dann ist Braunvieh für mich die Rasse mit der meisten Balance. Die Kühe sind (noch) nicht zu groß, nicht zu mager und nicht zu schwer. Balance ist für mich etwas extrem wichtiges mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Die Holsteins sind dem Braunvieh in puncto Leistung und Leistungssicherheit (in der ersten Laktation) überlegen. Für viele meiner Berufskollegen  war und ist das ein Grund die Rasse zu wechseln. Wenn wir aber ehrlich sind, so müssten wir doch auch zugeben, dass diese Leistungsüberlegenheit auch viele Nachteile mit sich bringt. Die Leistungsentwicklung korreliert bei den Holsteins hoch positiv mit der Größe. Eine große Kuh hat einen größeren Verdauungsapparat und kann  mehr fressen. Eine höhere Futteraufnahme bedeutet bei einer genetisch angelegten Leistungsbereitschaft  automatisch mehr Milch.  Nur hat dieses Größenwachstum auch wirtschaftliche Grenzen weil natürlich auch der Erhaltungsbedarf großer Tiere enorm steigt, und sich große Tiere in allen Stallsystemen viel schwerer tun als mittelgroße Tiere. Die durchschnittliche Holsteinkuh ist heute schon für die meisten Milcherzeuger zu groß und das stelle nicht nur ich fest. Das renommierte Fachmagazin Holstein International (HI) widmete  erst kürzlich einen Leiterartikel der Frage: Wie bekommt man die Größe in den Griff?  Die Antwort darauf dürfte schwierig werden. Die enorme Leistungssteigerung und Frühreife  baute in weiten Teilen auf eine überproportional ausgeprägte Vergrößerung der Kuh. Wenn Jungkühe auf Schwarzbunt-Auktionen durchschnittlich über 30 kg melken und dabei im Vergleich zu anderen Rassen noch sehr jung sind, dann müssen sie schon einen entsprechenden Rahmen mitbringen um genug Futter aufnehmen zu können. Dass diese Kühe dann im zweiten und dritten Kalb nochmals an Größe zulegen ist kein Geheimnis. Wer heute in den Bullenkatalogen der bekannten Größen am Besamungsmarkt Bullen sucht die durchschnittliche oder sogar kleine Kühe machen wird sich schwer tun. Die Balken für Größe stehen fast immer auf der rechten Seite an. Hinzu kommt mittlerweile, dass diese großen Kühe selbst bei hoher Leistung nicht mehr ausreichend effizient sind. Das Thema Futtereffizienz bei Holsteins bereitet hinter verschlossenen Türen mittlerweile enormes Kopfzerbrechen. Am besten erkennen lässt sich das Problem wenn man auf Holsteinländer blickt, in denen die Weidehaltung eine zentrale Rolle spielt. In Irland oder Neuseeland dominieren die Holsteins traditionell das Bild der Weidehaltung, nur genetisch und äußerlich haben diese Tiere mit der großen Holsteinkuh der Milchindustrieländer wie wir sie in den USA, Kanada oder Deutschland kennen bis auf die Farbe wenig bis gar nichts zu tun. Die Holsteins dort sind Braunviehkühe in schwarz-weiß: kleiner, robuster  und trotz geringerer Leistung hoch effizient. Diese Länder betreiben eigene Zuchtprogramme und die Kreuzung mit Jersey spielt eine zentrale Rolle. Große Holsteins nach dem Modell der >>Hochglanzprospektzucht<< findet man dort nirgendwo. Natürlich hat die Holsteinszene dieses Problem erkannt und in einigen Ländern werden mittlerweile sogar Zuchtwerte für Futtereffizienz berechnet, in der Schweiz findet man diesen  Zuchtwert in der Spalte >>Eingespartes Futter<<.  Von 88 aufgezählten und verfügbaren nationalen und internationalen Holsteinbullen eines bekannten Schweizer Genetik-Anbieters sind nur 5 in diesem Merkmal leicht positiv. Zuchtwerte von unter 80 sind nicht die Ausnahme sondern die Regel.  

Es stimmt, die Holsteinkuh gibt mehr Milch  aber sie braucht dafür viel und besonderes Futter. Fette, Propylenglycol, Harnstoff und saure Salze gehören in vielen Hochleistungsrationen (zugegebenermaßen auch in einigen Braunviehbetrieben) zum Standartprogramm, ganz zu schweigen von großen Mengen importierten Sojas und jeder Menge Kraftfutter.  Noch sind viele dieser >>Mittelchen<< erlaubt und Kraftfutter billig, aber wird dies so bleiben?   Bei weiter steigender Weltbevölkerung und einer Zunahme der klimabedingten Ernteausfälle in Folge von Dürren und Überschwemmungen wird jedenfalls die Konkurrenz zwischen Teller und Futtertrog zwangsläufig zunehmen und die Getreidepreise steigen. Soja aus Amerika ist heute aus klimatechnischer und umweltpolitischer Sicht sowieso ein Wahnsinn. Dass davon ein Großteil der industriellen Tierhaltung (Geflügel, Schweine, Milcherzeugung und Rindermast) in Europa abhängig ist, sehen die wenigsten in der Branche. Das Motto lautet noch immer : Augen zu und mit Vollgas durch! Die Holsteins wie wir sie heute kennen und wie sie aktuell allen Milchbauern auf der Welt als wirtschaftlichste Milchviehrasse verkauft werden, haben in Bezug auf Nachhaltigkeit und Futtereffizienz Defizite, die unter den aktuellen Bedingungen noch kaum sichtbar sind aber in Zukunft wohl relevant werden. 

 

Was die Futtereffizienz anbelangt schneidet Fleckvieh sicherlich noch schlechter ab. Bei geringerer Leistung ist der Erhaltungsbedarf hier noch deutlich höher.   Übertüncht wird das Problem bisher nur durch den höheren Schlachtkuherlös und die besseren Nutzkälberpreise. Aber was passiert wenn in Zukunft noch mehr Menschen ihren Fleischkonsum einschränken oder ganz darauf verzichten?  Eines ist sicher, Muskelmasse ist für die Milchkuh mit zunehmendem Alter nur eines - Ballast! Ballast der viel gutes Futter verbrennt, die Bewegungen einschränkt, das Fundament belastet,  das Abliegen und Aufstehen  erschwert und die Geburtswege verengt.  Geschlachtet wird jede Kuh nur ein einziges mal, gemolken wird sie dagegen täglich.

 

Dieses Video macht deutlich dass immer mehr Verbraucher ihren Fleischkonsum überdenken! Ich möchte das nicht bewerten. Es ist einfach so, ob wir das wollen oder nicht!

 

Weniger Fleisch und Milch!

 

Diese Schlagzeile ging kurz vor Eröffnung der Grünen Woche in Berlin durch die Medien. Ein 37-köpfiges Gremium der sogenannten >>EAT-Lancet-Kommission<< haben einen tägliche Speiseplan erarbeitet, der bei steigender Weltbevölkerung die Welt retten soll. Das Credo lautet weniger Fleisch und weniger Milch dafür mehr Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide. Bei Fleisch beläuft sich die geforderte Tagesration auf 7 g Rind- und (oder) Lammfleisch und 7 g Schweinefleisch, was einem Hackbällchen entspricht. Wer also an 6 Tagen in der Woche ganz auf Fleisch verzichtet, darf sich immerhin noch auf den Sonntagsbraten freuen. Bei Milch sind die Forscher immerhin noch etwas großzügiger. Die Tagesration liegt hier bei 250 g Milch, was einem großen Glas entspricht. Mit eingerechnet ist hier aber bereits der Verbrauch von Jogurt, Butter und Käse.

 

Was bedeutet das für die Landwirtschaft? Nun ja, mit einem Präsidenten wie Trump wohl vorerst nichts. Die reichen Länder werden weiter konsumieren und unseren Planeten zugrunde richten, auf Kosten der Entwicklungsländer. Auf Dauer wird das aber nicht gutgehen. Im Konkurrenzkampf zwischen Futtertrog und Teller wird  wahrscheinlich am Ende die Vernunft zu Gunsten des Tellers entscheiden. Landwirtschaftliche Anbauflächen (Acker) werden dann im Schwerpunkt Hülsenfrüchte, Obst und Getreide für die menschliche Ernährung liefern müssen. In den Ackerbauregionen wird dies zu einem Rückgang der Viehhaltung führen, welche sich auf die Grünlandgebiete zurückziehen wird. Mit Gras kann der Mensch noch nichts anfangen, dies kann den Kühen überlassen werden. Braunvieh wird mit dieser Situation gut zurecht kommen, vorausgesetzt wir schaffen es, es durch vorausblickende Zuchtarbeit, in diese neue Zeit zu retten.

 

Übrigens soweit sind wir davon nicht mehr entfernt. Im Bio-Bereich ist Kraftfutter heute bereits so teuer, dass es sich schon heute kaum mehr rechnet hohe Milchleistungen auszufüttern. Im Rassevergleich stehen übrigens überproportional viele Braunviehkühe in Bio-Betrieben, auf reinen Grünlandstandorten. Lasst Euch deshalb nicht vom Milchleistungsvergleich des LKV täuschen. Da werden heute schon Äpfel mit Birnen verglichen, zu Lasten des Braunviehs!

 

 

Das Fundament trägt die Milch 

 

Braunvieh hat die besten Fundamente aller Rassen und was für mich fast noch wichtiger ist, es bewegt sich ergonomisch und natürlich. Damit sie verstehen was ich meine, müssen sie Braunvieh, Fleckvieh und Holsteins auf der Weide beobachten. Besonders wenn die Tiere rennen, werden die Unterschiede deutlich. Den Holsteinrindern kann man eigentlich gar nicht zuschauen, man hat ständig Angst dass sie jeden Moment auseinanderbrechen könnten oder über ihre eigenen Füße stolpern. Das Rennen ist so ungelenk und starr, dass es schon fast zum Lachen ist. Fleckvieh sieht besser aus, aber auch hier fehlt jegliche form von Eleganz und Stil, allein schon die enorme Masse verhindert das. Braunviehrinder bewegen sich hingegen sehr elegant. Das Zusammenspiel von Skelett und Muskulatur verleiht ihrem Gang eine natürliche Leichtigkeit wie man sie vor allem von wildlebenden Tieren wie  Antilopen, Hirschen und Zebras kennt. Braunvieh kann natürlich laufen und das ist ein Vorteil, den es in jeder Stallform, auf der Weide und am Berg ausspielt. Hinzu kommt, die schwarzen Klauen des Braunviehs sind härter und damit weniger anfällig für Krankheiten und Verletzungen.

 

 Immer cool bleiben!

 

Der Klimawandel führt schon heute dazu, dass die Temperaturen ansteigen und die Wetterextreme zunehmen. Wir erlebten das in diesem Sommer besonders deutlich. Die Zahl der Hitzetage erreichte neue Rekorde. Milchkühe sind sehr empfindlich gegenüber Hitze, sie können nicht schwitzen und der Hitzestau belastet den Organismus enorm. Die Zellzahlen steigen, Infektionen nehmen zu, die Milchleistung sinkt und die Fruchtbarkeit stagniert. Braunvieh kommt mit heißen Temperaturen deutlich besser zurecht als andere Rassen, das ist mitunter ein Hauptgrund für die hohen Exportzahlen nach Nordafrika und die Türkei. Ich habe mich kürzlich mit einer Holsteinzüchterin unterhalten, die seit einigen Jahren auch mit Braunvieh arbeitet und im Hitzesommer folgende Erfahrung gemacht hat: >>Unsere Holsteins lagen alle in den Boxen und haben gepumpt, während unsere Braunen im Stall rumgespielt haben<<. Braunvieh kommt mit Hitze deutlich besser klar als andere Rassen, sollte sich der Klimawandel weiter verschärfen, wird dies auch in Nordeuropa ein tragendes Verkaufsargument für die Rasse.

 

Die beste Milch

 

Braunvieh ist eine Käserasse, dafür sorgt nicht nur der hohe Eiweißgehalt sondern auch die Eiweißqualität. Der Anteil an Beta-Kasein BB ist in der Rasse besonders hoch ebenso der Eiweißtyp A 2.

Dies macht Braunviehmilch angeblich wesentlich bekömmlicher als die Milch anderer Rassen.   

 

Roboterkuh

 

Die Konkurrenz wird es nicht hören wollen, aber die  Braunviehkuh ist die geborene Roboterkuh. Dafür sorgt eine gute Persistenz (flache Laktationskurve), ein gute Euterform mit nicht zu enger Strichplatzierung und (noch) nicht zu kurzen Zitzen. Die guten Fundamente, der mittlere Rahmen bei nicht zu hohem Gewicht, gewährleisten eine bessere Mobilität und sorgen für eine verstärkte Melkfrequenz. Braunviehkühe geben meiner Erfahrung nach im Roboter signifikant mehr Milch!

 

Perfekte Bio-Kuh

 

  Bio-Kühe müssen aus dem Grundfutter, vorzugsweise auf der Basis von Weide, Grassilage und Heu, hochwertige Milch produzieren können. Ein extrem hohes genetisches Leistungspotential ist dabei gar nicht so vorteilhaft. Leistungen im Bereich zwischen 7.000 und 8.500 kg können mit Braunvieh problemlos ermolken werden. Die Kühe gehen dabei nicht an ihr Limit und bleiben gesund und fruchtbar. Wieder ist auch hier die im Vergleich zu Fleckvieh oder Holsteins flache Laktationskurve mit guter Persistenz der Schlüssel zum Erfolg. Nicht die Laktationsmenge belastet die Kuh, sondern die hohe Leistungsspitze in den ersten 6 Wochen nach der Kalbung. Auch die Spätreife spielt der Bio-Braunviehkuh in die Karten. Da Braunvieh naturgemäß sein volles Leistungspotential erst in den Folgelaktationen zu 100% abruft, >>verbrennen<< die jungen Kühe nicht so schnell. Wer mit Braunvieh arbeiten will, muss wissen, dass seine Jungkühe Zeit brauchen. Wenn er ihnen diese Zeit gibt und die Genetik passt, sind hohe Stalldurchschnitte auch mit Braunvieh problemlos möglich. Er melkt sie nur eben nicht mit den Jungkühen, sondern mit den ausgewachsenen Altkühen von der 3. bis zur 8 Laktation.

 

In diesem Zusammenhang ist es oft nicht nachvollziehbar warum etwas leichtere Jungkühe mit guten kleinen Eutern und moderater Leistung (24 - 26 kg)  auf den Zuchtviehmärkten nicht so gefragt sind und mit deutlichen Preisabschlägen bestraft werden. Aus meiner Sicht sind das die Kühe die zwar nicht mit hohen Erstlaktationen punkten können,  dafür später wahrscheinlich mit Lebensleistung. In jedem Fall sind sie mir persönlich lieber als die Sackeuterfraktion mit den 30 kg  Milch. Diese Typen bevorzug die Zuchtwertschätzung und macht aus der spätreifen Braunviehkuh einen schlechten Holsteinverschnitt. Die Ergebnisse dieser Zucht sind alles andere als gut und schaden dem Braunvieh. Wäre es da nicht besser auf den Gesamtzuchtwert zu pfeifen und statt dessen bei der Stierauswahl auf  die Einzelmerkmale Nutzungsdauer, Persistenz, Melkbarkeit, Euter, Becken und Fundament bei hoher Sicherheit zu achten?

 

Happy-Cow

 

 Glückliche Kuh, was soll das jetzt wieder sein? Aktuell wird viel über Tierwohl berichtet und sogar auf ersten Milchprodukten beworben. Wann ist einer Kuh wohl? Natürlich spielen Aufstallung, Haltung und Fütterung eine wichtige Rolle, was hilft aber einer Holsteinkuh die schönste Liegebox, wenn sie nach dem 3. Kalb mit 60 kg Tagesleistung auf dem Zahnfleisch daherkommt? Was hilft es einer Fleckviehkuh wenn sie nach dem 3. Kalb 900 kg wiegt und dieses Gewicht Tag für Tag mit sich herumschleppen muss. Kühe denen Wohl ist brauchen Balance! Balance zwischen Alter, Gewicht und Größe, Balance zwischen Futteraufnahmevermögen und Leistung. Ich bin der Meinung Braunvieh hat diese Balance und wir sollten alles in unserer Macht stehende tun, um sie zu bewahren. Denn bei allem wirtschaftlichen Zwang, dem Milcherzeuger heutzutage unterliegen, sollten wir doch nie vergessen, dass wir mit Lebewesen arbeiten und dass deren Ausbeutung unanständig ja sogar ethisch verwerflich ist.

 

Bedenkt man an dieser Stelle zusätzlich, dass der Verbrauch an Medikamenten , vor allem Antibiotika in den kommenden Jahren vom Gesetzgeber massiv eingeschränkt werden wird, dann erhält die Zucht auf eine gesunde und langlebige Kuh einen ganz neuen Stellenwert.

 

Die besten Kühe der Welt

 

Einfallen würde mir noch jede Menge, aber wer soll das lesen? Mir war es an dieser Stelle einfach mal wichtig (auch für mich selber) die Vorteile des Braunviehs aufzuzählen und uns klar zu machen, dass es sich schon lohnen würde für seine Weiterentwicklung und Erhaltung zu kämpfen. Braunvieh ist eine sehr moderne Rasse mit Vorteilen die wir heute viel zu wenig wertschätzen.