Offener Brief

In meiner liebligs Zuchtzeitschrift Holstein International (HI) war kürzlich ein  Artikel von einem anonymen Verfasser veröffentlicht, der mich richtig wütend gemacht hat. Jan Bierma ist Chefredakteur von HI und ich kenne ihn seit meiner Zeit bei Kuhfacto, der Artikel hat mich veranlasst ihm diesen offenen Brief zu senden.

Hallo Jan,

 

 

nachdem wir lange nichts voneinander gehört haben, möchte ich  Dir diese Zeilen schreiben.

 

Obwohl wir unseren Holstein-Bestand in den vergangenen Jahren etwas reduziert haben, bin ich immer ein treuer und auch begeisterter Leser von Holstein International geblieben. Der Blick über den Tellerrand schadet nie  und regt zum Nachdenken an.  Sehr aufgewühlt hat mich allerdings der Bericht in der November-Ausgabe  von dem dubiosen >>American Dairyman<<. Er schlägt in seinem Beitrag vor, dass es höchst wirtschaftlich sein könnte die Kühe einfach nicht mehr zu besamen und sie nach 2 Jahren zum Schlachter zu geben, um sie dann durch junge Kühe zu ersetzen die noch mehr Milch geben. Die Reproduktion soll hierbei durch Frühreife und den Einsatz von gesextem Sperma bei den Färsen gesichert werden. Sprich wenn die Mutter nach 2 Jahren unbesamt abgeht, dann steht die fertige Tochter schon wieder am Start und das Spiel beginnt von Neuem - nur mit noch mehr Milch!

 

 

Natürlich hat sich die Milchviehhaltung in den vergangenen Jahren rasant in Richtung Industrialisierung entwickelt. Richtige >>Bauern<< finden wir kaum noch. Alles wird größer und höher: die Leistung, die Kuh, der Betrieb!

 

Die Chefs sind meist keine Bauern mehr, sie sind Manager und sie lassen arbeiten. An fast allen Orten der Welt durch arme Schweine die um ihr Überleben kämpfen und für Hungerlöhne in Schichten melken, besonders in Amerika. Darüber schreibt niemand!

 

 

Sie erzielen Leistungen die mittlerweile weit über 12.000 kg liegen und sie füttern dabei Dinge die nie zur Natur eines Rindes gehört haben und nie deren Natur entsprechen werden. 

 

Darüber hinaus hat die Holsteinzucht mittlerweile eine Kuh hervorgebracht die oft  nur unter diesen optimierten Bedingungen überleben kann: extrem groß, extrem fleischleer, extrem frühreif und extrem leistungsbereit.

 

 

Nun haben wir eine Kuh die soviel Milch gibt dass sie zusätzlich eine Reproduktion kaum mehr aushält und hier kommen die Gedanken des >>American Dairyman<< (warum will er seinen Namen nicht nennen?) ins Spiel. Er macht aus der Milchkuh eine Milchmaschine nach dem Vorbild der modernen Hybrid-Legehenne. Das Prinzip lautet dann melken und schlachten. Dabei erwähnt er nicht dass er sie wahrscheinlich mit Hormonen zur Milchproduktion anregt und gleichzeitig ihre Brunst mit Medikamenten unterdrückt. Denn wer will alle drei Wochen 1.000 brünstige Kühe im Stall? Natürlich hat er dafür bestimmt auch eine Lösung, wir züchten einfach soviel Milch an die Kuh, dass sie die Reproduktion  komplett einstellt.

 

Ich finde es Schade dass ihr solchen Genies in Eurem ehrwürdigen Blatt eine, und das ärgert mich an dieser Stelle besonders , anonyme Plattform bietet. Wahrscheinlich hat der Experte gar keine Kühe, sondern arbeitet im Management einer Zuchtorganisation die in Zukunft am besten nur noch lizenzierte Genetik verkaufen will. Dairyman ist schließlich ein weitläufiger Begriff. 

 

 

Dieser ganze Wahnsinn steht im Gegensatz zu einem rasant fortschreitenden Klimawandel der seitens der industrialisierten LWS komplett  ausgeblendet und sogar geleugnet wird. Vom Artensterben und der Belastung unserer Umwelt durch übermäßigen Wasserverbrauch, Düngemittel und Herbizide sei an dieser Stelle noch gar nicht die Rede. Wir tun so als würde uns das nichts angehen und vernichten dabei eine Landwirtschaft die wir eigentlich bräuchten, die bäuerliche!!!!!

 

 

Ich werde HI jetzt nicht abbestellen, aber ich wollte Dir diese Zeilen einfach mal  schreiben. Es stinkt mir nämlich dass Bauern die rücksichtsvoll mit ihren Kühe, ihrem Land und  unserer Umwelt umgehen als Versager abgestempelt und mit brutalen Methoden aus dem Markt gedrückt werden. Für Typen wie dem >>American Dairyman<<, der sich einen Scheiß um die Kuh, seine Mitarbeiter und seine Umwelt schert und dem es nur um das eine geht, mehr Profit!

 

 

Ich werde einen Teil dieses Schreibens vielleicht auch in meinem Blog veröffentlichen, als eine Art offenen Brief an Dich und den Dairyman.

 

 

 

Viele Grüße

 

 

 

Gerhard