Kurskorrektur überfällig!

 Über Sinn und Unsinn einer Viehschau lässt sich streiten. Ich besuche sie eigentlich ganz gerne, weil sie einem die Möglichkeit bieten sein "Auge" zu schulen. 

 

Ich stelle mir vor Schauen immer die Frage ob ich mit Tieren daran teilnehmen könnte?  Der Gedanke hat  nichts damit zu tun ob man am Ende ausstellt oder nicht, es ist eine rein hypothetische Überlegung. Könnte ich wenn ich wollte?  Danach stellte ich mir die Frage, was für Tiere ich auf der Schau wohl erwarten werden? Ich befasse mich seit fast 30 Jahren sehr intensiv mit der deutschen und internationalen Braunviehzucht und vorsichtig formuliert, es gefällt mir nicht was Stationen, Verbände und staatliche Zuchtaufsicht mit unserem Braunvieh anstellen. Meine Erwartungen waren also nicht besonders hoch als ich nach Unterthingau gefahren bin. Nach intensiver Blutverbreitung von Vinos, Hussli, Huray, Vasir und sonstigen Talenten kann man an das Exterieur in der Fläche keine hohen Erwartungen mehr stellen, auch nicht an die Funktionalität. 

 

Im folgenden Link findet ihr die Rangierliste der Schau. 

Neun von insgesamt 12 Klassen wurden von nicht deutschen Stationsbullen bzw. deren Töchter gewonnen.  Bedenkt man dass Payssli aus einem US-Embryonenimport mit einem US-Vater gezogen wurde und Brownstar mit der Väterfolge Blooming x  Wonderment x Premium x Ace auch alles andere als ein rein deutsches Zuchtprodukt ist, sind es eigentlich 11 von 12 Klassen.   

 

Das alles ist aber noch lange nicht bemerkenswert, es ist vielmehr die logische  Folge einer aus meiner Sicht über Jahrzehnte  verkorksten Zuchtstrategie, die auf der Jagd nach hohen Zahlen das äußere Erscheinungsbild einer Kuh und ihre Funktionalität vollkommen aus den Augen verloren hat.  Bemerkenswert finde ich es, dass dieser offensichtliche Zustand des Versagens von den Verantwortlichen total ignoriert wird. Ganz im Gegenteil, sieh ehren ganz unverblümt jene die ihr Spiel nicht mitspielen und ihr Züchterglück in Deckstieren oder ausländischen Bullen suchen mit staatlichen Züchtermedaillen. Sieh sehen in ihrer grenzenlosen Arroganz nicht, dass ihre züchterische Arbeit mangelhaft ist, oder noch schlimmer, der Rasse Braunvieh massiven Schaden zufügt. 

 

Nochmal, wir befinden uns auf einer Verbandsschau des größten deutschen Braunviehzuchtverbandes in Deutschland. Der Verband ist mit den beiden regionalen Besamungsstationen seit ewigen Zeiten eng verwoben. Das gesamte Zuchtprogramm läuft in enger Kooperation mit diese Stationen ab. Dann veranstaltet der Verband eine Verbandsschau auf welcher er die vorselektierte Spitze seiner Population präsentiert und was fällt auf? Ausländische Genetik dominiert! Das Ganze gipfelt dann noch darin, dass der Verband den ja offensichtlich mit massiven Defiziten behafteten Besamungsstationen  die Möglichkeit einer Nachzuchtschau einräumt. Sie können kostenlos Werbung für ihre Genetik machen, die  in der Masse  kaum mehr wettbewerbsfähig ist. Ich würde ihnen das untersagen, um weiteren Schaden von den eigenen Mitgliedern abzuwenden. Ich würde in Klausur mit diesen Stationen gehen und die Defizite offen ansprechen. Ich würde einen sofortigen Kurswechsel in der Braunviehzucht fordern und wenn das nicht möglich erscheint, Boykottmaßnahmen in Erwägung ziehen. 

 

All das wird natürlich nicht passieren. Es wird nichts in dieser Richtung diskutiert werden. Alle werden sich gegenseitig für eine gelungene Schau (was sie übrigens auch war) auf die Schulter klopfen und zur Tagesordnung übergehen und das obwohl man bei genauerem Hinsehen doch sehen muss, dass das System nicht ansatzweise funktioniert. Über allem thront eine staatliche Zuchtleitung, der jegliche Sensibilität für den ernst der Lage fehlt. Mir kommt an dieser Stelle immer wieder das Märchen "Des Kaisers neue Kleider" in den Sinn.  

 

 

»Aber er hat ja gar nichts an!« sagte endlich ein kleines Kind. »Hört die Stimme der Unschuld!«

 

Allen Lesern die von ihrer (berechtigten) Liebe zur braunen Rasse geleitet und angetrieben werden beschwöre ich,  sich kritisch und besonnen nach  Alternativen umzusehen! Das kann  auch wieder der eigenen Deckstier sein. Auf der Schau in Unterthingau war hierfür übrigens ein interessantes und höchst erfolgreiches Beispiel vertreten. Dem Züchter möchte ich an dieser Stelle für seine Leistung  gratulieren. Respekt wer´s selber macht! 

 

Ich weiß auch, dass in den Gremien viele Männer (leider kaum Frauen) sitzen, die das Herz am rechten Fleck tragen. Bitte interveniert!

 

Von den Verantwortlichen der Stationen wünsche ich mir, dass sie ihre Fehler erkennen und selbstkritisch analysieren. Wer in der Sackgasse steckt dem hilft kein Gaspedal (immer mehr Genomics), sondern nur eine Vollbremsung  und der Rückwärtsgang!  

 

 

Und von der Zuchtleitung?  Hier gilt im Prinzip das gleiche wie für die Stationen: Innehalten, Fehler analysieren, Richtung korrigieren! Sollte das nicht möglich sein,  bleibt eigentlich im Sinne des Braunviehs nur eines,  zurücktreten und den Weg frei machen für einen Neuanfang.   

 

 

PS: Alles was hier geschrieben wurde gilt natürlich 1 : 1 auch für die bayerische Holsteinzucht, nur die interessiert mich nicht die Bohne.