Identität neu erfinden

Als Braunviehfreund hat man es in der Welt nicht leicht, man hat zwar die schönste Rasse im Stall stehen doch seine Freuden kann man (ich) mit immer weniger Menschen teilen. Was mich betrifft, so bin ich vielleicht ein Stück weit selber Schuld daran.  Die Artikel auf diesem Blog, beweihräuchern niemanden der es nicht verdient hat und mein Sarkasmus ist nicht jedermanns Ding.  So bin ich wie ein einsamer Wolf, der in kalten Winternächten den Mond anheult und gelegentlich den Shitbürgern in ihren noblen Gärten auf die Terrasse kackt. A uuuuuu!

Nach dem Motto, ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich völlig ungeniert, habe ich dennoch damit meinen Frieden gefunden. Und ganz ehrlich, jeden Tag denke ich mir ich sollte es viel öfter tun. 

Denn darin sollten wir uns einig sein, keine andere Rasse wird seit Jahrzehnten zu nachhaltig heruntergewirtschaftet wie unser Braunvieh.  Die Gründe dafür sind vielschichtig.

 

Die staatlichen Zuchtleiter in Bayern sind seit Jahrzehnten eine schwere Bürde für die Rasse. Arrogant bis (und) fachlich ungeeignet ist es ihnen gelungen vom Elfenbeinturm herab jede Freude, jede Leidenschaft, jede Emotion, jede Liebe für die Braune Kuh abzuhobeln. Vor lauter Zuchtwerten und Leistungsdaten (und wahrscheinlich auch dem Blick auf ihre eigene Beamtenkarriere)  haben diese Grauen Männer  nie verstanden dass Freude, Liebe und Leidenschaft die Basis jeglichen Erfolgs stellen. Ich weiß nicht warum sich Bayern dieses letzte Relikt aus Zeiten des Reichsnährstands noch leistet? Wahrscheinlich weil keiner unserer Landwirtschaftsminister seit bestehen der Bundesrepublik ein Braunviehzüchter war und niemand ihnen gesagt hat  wie sinnlos hier das Steuergeld  verschwendet wurde und wird. An dieser Stelle:  Liebe Ministerin Kaniber,  befreien sie die Braunviehzucht in Bayern von der staatlichen Zuchtberatung und den Zuchtleitern. Bitte!

 

Die staatliche Zuchtleitung trägt zwar Schuld an der Misere, aber nicht allein. Bis heute gäbe es bei der drohenden Abschaffung der staatlichen Zuchtberatung  einen Aufschrei der Entrüstung  seitens der Zuchtverbände, weil sie doch ohne diese segensreiche Förderung  vor die Hunde gehen würden. Dazu kann ich nur eines sagen, nur schwache Menschen wollen regiert werden, die Starken nehmen ihr Geschick selber in die Hand.  Obrigkeitshörigkeit ist etwas für Schwächlinge und davon gibt es leider mehr als genug! Obrigkeitshörigkeit gepaart mit Opportunismus und bedingungsloser Pflichterfüllung sind der Kitt der Misere. 

 

An dritter Stelle muss ich leider auch kritische Worte für die Bauern und Züchter finden. Diese jammern zwar gerne, ducken sich aber überall weg sobald sie gezwungen sind über den eigenen betrieblichen Tellerrand hinaus zu blicken und öffentlich Stellung zu beziehen oder gar das Wort zu erheben. Dann hört man, geht mich nix an, kann ich nicht, keine Zeit (der Klassiker), sollen die anderen machen.  Hauptsache der Tank ist voll, lautet die Devise. Der der den Kopf aus der Menge (Schafherde) zu deutlich heraus hebt, wird gerne als Maulaufreißer, Wichtigtuer und Unruhestifter deklariert und sicherheitshalber gemieden. 

 

Ein weiters Problem des Braunviehs ist das fehlende Identitätsbewusstsein seiner Halter. Anders als die Oberbayern die ihre Simmentaler vor 150 Jahren aus der Schweiz importiert haben, ist das Braunvieh seit Jahrtausenden das Vieh der Alemannen, einer Stammesgemeinschaft die sich nach der Völkerwanderung im Allgäu, Schwaben, Vorarlberg und der Ostschweiz angesiedelt hat und deren Nachfahren wir sind. Über Jahrtausende war das braune Viehe uns ein treuer Begleiter. Und jetzt werfen wir dieses Kulturerbe leichtfertig über Bord und melken bereitwillig das Vieh der Friesen und Simmentaler, welche nicht zu uns und unserem Land gehören. Noch wirbt auf jedem Fremdenverkehrsflyer die Braunviehkuh mit ihren dunklen Kulleraugen für das Allgäu, Vorarlberg oder die Schweiz, wenn wir uns aber nicht bald auf unsere Wurzeln und unsere Kultur besinnen ist das vorbei. Ich kann nicht von jedem verlangen allein Braunvieh zu halten, aber die einzelbetrieblichen Ausrottungs- und Auskreuzungsstrategien vieler meiner Berufskollegen finde ich furchtbar.

 

Natürlich muss das Braunvieh im knallharten Wettbewerb mit anderen Rassen bestehen können und entsprechend  den Anforderungen einer modernen Rasse gerecht werden, dafür bräuchte es aber die gemeinsame Anstrengung der Zuchtleitung (bitte nicht mehr staatlich), der Zuchtverbände, der Besamungsstationen und der Züchter. In allen Ebenen brauchen wir ein Identitätsbewusstsein und ein klares Bekenntnis zum Braunvieh. Hier haben wir aber das Problem dass es bei uns in Deutschland keinen Braunviehzuchtverband mehr gibt, sondern nur noch Dachverbände die sich auf die Vermarktung von Zucht- und Nutzvieh aller Rassen konzentrieren. Auch die Besamungsstationen machen keine eindeutige Rassepolitik mehr, sondern bieten an was der Markt verlangt. 

 

Ist das Braunvieh unter diesen Bedingungen überhaupt noch zu retten? Noch gibt es Gott sei Dank viele Bauern die dem Braunvieh die Stange halten und dieses Kulturgut bereitwillig vor dem Untergang bewahren. Das Problem ist, es gibt keine Fahne mehr unter der sich diese mit gewölbter Brust sammeln können, um der Braunviehzucht die nötigen Impulse zu geben. Die Braunviehzucht braucht ganz schnell einen Identifikationspunkt und ein neues Wirgefühl sonst ist es verloren. Meine Hoffnungen liegen natürlich bei den etablierten Organisationen. Diese haben die Manpower, die finanziellen Mittel und einen bestehenden Organisationsgrad um diese Aufgabe zu schultern. Die Frage ist nur wollen sie das überhaupt noch und können sie das überhaupt noch (z.B. Mehrrasseverband ProRind, Rinderzucht Tirol, RBW)?  Diese Fragen sollten sich alle jetzt stellen.  Wenn sie es nicht mehr können, braucht es zügig einen Impuls für eine neue Organisationsform. Diese sollte sich im Optimalfall über die Ländergrenzen hinaus öffnen und als Anwalt der Rasse agieren.  

 

Meiner Meinung nach hat das Braunvieh noch maximal 10 Jahre Zeit (eher nur noch 5 Jahre) um das Ruder herumzureißen und die drohende Bedeutungslosigkeit abzuwenden. Die Zeit für Entscheidungen und konsequentes handeln drängt!